Etwas Zurückgeben

Van, im blauen Hemd, mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder im Jahr 2013

Veröffentlichungsdatum: 22.12.2020

Vans Büro ist sein Motorrad.

Er wacht mit dem Sonnenaufgang auf, erledigt seine morgendlichen Aufgaben und macht sich dann auf den Weg, um in den Bergen Nordvietnams von Dorf zu Dorf zu fahren.

Van ist ehrenamtlicher Sozialarbeiter bei der Blue Dragon Children’s Foundation und hilft Kindern in Not in einer der ärmsten Regionen des Landes. Doch als Kind hatte Van selbst mit einer Krise zu kämpfen.

Van hat glückliche Erinnerungen an seine Kindheit , auch wenn sein Leben damals hart war. Seine Familie gehört zur ethnischen Minderheit der Thais. Seine Eltern sind Bauern und verdienen jeden Monat ein sehr geringes Einkommen. Sein jüngerer Bruder wurde außerdem mit einer schweren Hörbehinderung geboren.

Anderswo hätte Vans Familie Unterstützung finden können, um ein passendes Hörgerät zu kaufen oder seinem Bruder vietnamesische Gebärdensprache beizubringen. In ihrem abgelegenen Dorf gibt es keine solche Unterstützung. Keine Schule konnte den kleinen Jungen aufnehmen, also übernahm Van schon vor seiner Teenagerzeit die Aufgabe, sich um seinen Bruder zu kümmern, während seine Eltern auf den Feldern arbeiteten.

Als er die 9. Klasse erreichte, sah Van keinen Sinn mehr darin, weiter zu lernen. Es schien einfach keinen Grund zu geben, weiterzumachen.

Als ein entfernter Verwandter mit einem Jobangebot an ihn herantrat, war Van begeistert. Das war nicht nur eine Chance, etwas Geld für seine Familie zu verdienen, sondern auch ein Job in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon), fast 2.000 km entfernt.

Was für ein Abenteuer!

Van erzählt die Geschichte in seinen eigenen Worten wie folgt:

Im März 2013 sprang ich mit einem Verwandten in einen Bus und fuhr nach Saigon, ohne meinen Eltern etwas zu sagen. Zu dieser Zeit habe ich nicht viel nachgedacht. Ich wollte einfach nur nach Saigon fahren, um die große Stadt zu sehen. Unterwegs rief ich meine Eltern an, um ihnen von meinem Plan zu erzählen. Sie versuchten, mich zu überreden, zurück zu kommen, um zur Schule zu gehen, aber meine Entscheidung stand fest. Nach Saigon zu gehen, war das Einzige, was ich im Kopf hatte.“

Es war alles so aufregend … bis sie an ihrem Ziel ankamen.

Die Arbeit in der Bekleidungsfabrik war sehr schwierig und ganz anders, als ich es erwartet hatte. Ich musste von früh morgens bis spät abends arbeiten, manchmal sogar bis Mitternacht. Meine Aufgabe war es, Bilder auf T-Shirts zu drucken. Ich war noch sehr jung, und die meiste Zeit vermisste ich meine Mutter und meinen Vater. Ich wollte nur noch nach Hause.“

Van, der von einer besseren Zukunft träumte, hatte man vorgegaukelt, sein Leben würde besser werden. Aber es war zu spät; es gab keine Möglichkeit mehr zu gehen.

Doch Vans Schicksal sollte sich ändern. Im Jahr 2011 hatte Blue Dragon in seiner Provinz begonnen, Kinder zu finden, die in Ausbeuterbetrieben verschleppt wurden, und sie nach Hause zu bringen. Van war gerade zwei Monate in der Fabrik, als Blue Dragon mit der Polizei auftauchte und die Rückgabe der Kinder forderte.

Die Fabrik, in der Van zwei Monate lang arbeitete

Das war ein Wendepunkt für Van. Ihn nach Hause zu bringen war nur ein Teil des Engagements von Blue Dragon; sobald er wieder bei seiner Familie war, ging die Unterstützung weiter.

Van kehrte zur Schule zurück und beendete die 9. Klasse… und machte dann weiter bis zum Abitur. Sein jüngerer Bruder wurde von einem Spezialisten betreut, um mit seiner Hör-Beeinträchtigung zurecht zu kommen. Und die ganze Familie hatte unsere Unterstützung, um mit den vielen Schwierigkeiten in ihrem Leben fertig zu werden.

Van wurde eine massive Last von seinen Schultern genommen. Eine Ausbildung zu machen war nun möglich. Und noch etwas wurde ihm klar: wie wichtig es ist, anderen zu helfen.

Jeden Monat kam ein Sozialarbeiter von Blue Dragon mit dem Motorrad in sein Dorf, um sich zu informieren und zu sehen, wie es Van und seiner Familie geht. Zwischen den Besuchen riefen die Mitarbeiter an, um nach ihnen zu sehen. Wenn seine Famile ein Problem hatte, was manchmal der Fall war, wurde schnell Hilfe angeboten.

Van war inspiriert und setzte sich ein neues Ziel im Leben. Er begann davon zu träumen, Sozialarbeiter zu werden.

Nach dem Schulabschluss schrieb sich Van an einer Hochschule ein, wo er einen Grundkurs in Sozialarbeit belegen konnte. Blue Dragon half ihm und seinem Bruder weiter, der nun fließend die Gebärdensprache beherrschte und sich Hörgeräte anpassen ließ.

Als der Lehrgang vorbei war, bot Van an, bei Blue Dragon mitzumachen. Er konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als sich um andere Kinder zu kümmern, so wie er einst Hilfe erhalten hatte, um sein Leben umzukrempeln.

Er sagt selbst:

„Mir wurde klar, dass ich anderen Kindern, die wie ich aus schwierigen Verhältnissen kommen, helfen möchte. Ich möchte anderen Hoffnung geben, so wie Blue Dragon mir Hoffnung gegeben hat.“

Van ist zu einem jungen Mann herangewachsen, der etwas zurückgeben möchte. Er hat zugelassen, dass die Erfahrung seiner Nöte und die Hilfe, die er erhielt, um sie zu überwinden, sein eigenes Leben und seinen Traum für die Zukunft prägen.

Van und sein jüngerer Bruder in 2020

Das Jahr 2020 war schwierig für uns alle – es war ein Jahr der Herausforderungen und des Wandels und des Verlustes – Van hat uns daran erinnert, dass wir das Schlechte am Ende in etwas Gutes verwandeln können.

Stehen wirklich bessere Tage bevor? Die Antwort liegt bei uns, wir können es möglich machen.

Die Blue Dragon Children’s Foundation arbeitet daran, Menschenhandel und Sklaverei zu beenden. Bitte helft uns,die Arbeit der Organisation zu unterstützen.

Übersetzt von Kirsten Broschei (Fotos und Text aus dem Blog vom Blue Dragon Gründer Michael)